„Wollen wir uns duzen?“ Diese Frage wurde Ihnen bestimmt schon einmal gestellt, als Sie in einem neuen Unternehmen angefangen haben. Das Duzen wird in der Regel von anderen Kollegen vorgeschlagen, um den Austausch zu erleichtern und eine entspanntere Arbeitsatmosphäre zu schaffen. Allerdings wird diese Anrede auch vermehrt benutzt um Vorgesetzte anzusprechen. Und Sie: Duzen Sie sich in Ihrem Unternehmen oder siezen Sie sich? Die Frage, welche Anrede am besten geeignet ist, stellen sich viele Bewerber bereits während des Recruiting-Prozesses, aber auch Manager im täglichen Umgang mit ihrem Team.
In diesem Artikel geht es um den Einsatz des Duzens und Siezens in den Unternehmen, insbesondere in Verbindung mit Managern.
Der Gebrauch des Duzens und Siezens
Laut einer YouGov-Studie aus dem Jahr 2019 duzen etwa ein Viertel der Deutschen ihren direkten Vorgesetzten. Dies ist insbesondere bei jüngeren Generationen verbreitet, obwohl der Unterschied minimal bleibt. Kollegen und Kolleginnen duzen sich tendenziell leichter untereinander als Personen aus verschiedenen Hierarchieebenen. Etwa zwei Drittel der Kollegen und Kolleginnen duzen sich.
Diese Zahlen bleiben jedoch im internationalen Vergleich recht gering. In Frankreich z.B duzen laut einer Studie der Zeitschrift „Sociologie du travail“ etwa 63% der Franzosen ihren direkten Vorgesetzten. Im allgemeinen gehört Deutschland zu den wenigen Ländern, in denen das Siezen als berufliche Notwendigkeit gilt. Eine Autoritätsperson zu duzen gilt in Deutschland mitunter als unverschämt. Auch um eine Kommunikation per E-Mail zu beginnen, ist eine formelle und höfliche Anrede wie „Sehr geehrter Herr Professor Mustermann“ in Deutschland fast unmöglich zu unterlassen.
Wenn man jemanden zum ersten Mal trifft, gehört es zu den Feinheiten der deutschen Sprache und Kultur, ob man sich für „du“ oder „Sie“ entscheidet. Das „Du“ würde versuchen, eine Verbindung herzustellen, während das „Sie“ eine Form des Respekts und des „Rahmens“ bedeuten würde. Dies lässt sich in der Tat durch das Erlernen von Höflichkeit im deutschen Bildungssystem erklären, zu dem auch die korrekte Verwendung des Siezens gehört.
Man muss dazu sagen, dass das Duzen in Deutschland zweideutig ist. Tatsächlich ist im Deutschen die Wahl zwischen den zwei Anreden mit unterschiedlichen Kontexten verbunden:
- Das Duzen gehört zur Privatsphäre,
- Das Siezen der öffentlichen und formellen Sphäre.
Über diesen Unterschied hinaus impliziert das Duzen eine reale und unformelle Nähe, während das Siezen hingegen auf eine Distanz zwischen den beiden Personen hindeutet.

Kommunikationsformen in Unternehmen
Unabhängig davon, ob man die eine oder die andere Form der Kommunikation bevorzugt, ist es im Allgemeinen am besten, wenn man als neuer Mitarbeiter oder Mitarbeiterin die bereits bestehenden Gewohnheiten des Unternehmens berücksichtigt. Im Zweifelsfall sollte man lieber das „Sie“ verwenden und auf eine eventuelle Aufforderung warten, zum „Du“ überzugehen.
Dasselbe gilt im Rahmen der Beziehung mit den Vorgesetzten. Es ist nämlich der oder die Vorgesetzte, die das Duzen vorschlagen kann, je nachdem, welches Image er oder sie vermitteln möchte oder welche Nähe er oder sie zu den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen haben möchte.
Eine Gewohnheit in Start-up-Unternehmen
Der Trend, jeden zu duzen, vom Chef bis zum Arbeitnehmer, kommt vor allem aus den Start-ups. Die meisten dieser Unternehmen setzen neue Formen des Managements ein und bevorzugen eine moderne, offenere Unternehmenskultur. Dies ermöglicht ihnen, sich an die neuen Generationen anzupassen, die in das Unternehmen kommen. Die jüngeren Generationen streben nach mehr Nähe zu den Führungskräften. Außerdem suchen sie eine Arbeitsatmosphäre, die entspannter und informeller ist, als die älteren Kollegen und Kolleginnen.
Die jüngeren Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen verbreiten diese moderne Gewohnheit nicht nur intern, sondern auch in Verbindung mit den Kunden und Kundinnen. 8% der jüngeren Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen duzen die Kunden und Kundinnen, gegen nur 3% der Älteren. Dieses Verhalten vermittelt den Unternehmen zunehmend ein modernes und entspanntes Image. So sind Nähe, Transparenz, Entspannung oder auch Gleichstellung die neuen Fundamente des Markenimages von Start-ups und ihren Führungskräften geworden.
Darüber hinaus haben Start-ups eine amerikanisch geprägte Kultur mitgebracht, und das „You“ im englischen ist zweideutig, denn es kann sowohl „Du“ wie auch „Sie“ bedeuten.
Und diese aus den Start-ups stammende Unternehmenskultur hat sich nach und nach in der gesamten Arbeitswelt verbreitet. Das gilt auch für zahlreiche Großkonzerne. Das heutige Management tendiert immer mehr zur Anerkennung des Einzelnen, zur Auflösung unnatürlicher Formalität auf dem Arbeitsplatz und zur Abschaffung von strengen Hierarchien, um die Synergie von Ideen zu erleichtern.

Die Vorteile des Duzen
Sich zu duzen bedeutet, so zu tun, als wären alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gleichberechtigt, und das obwohl die Hierarchie immer noch vorherrschend ist. Das Duzen kann daher eine gute Möglichkeit sein, zwischenmenschliche Distanzen zu brechen, indem es mehr Nähe zwischen Managern und Managerinnen und den Teams herstellt und menschliche und nicht nur geschäftliche Beziehungen fördert.
Hier sind weitere Vorteile des Duzens in Unternehmen:
- Es vermittelt ein dynamisches Bild des Unternehmens.
- Es stärkt den Zusammenhalt des Teams
- Es baut die Barrieren zwischen den Generationen ab
- Es lässt die hierarchische Distanz zurückgehen
- Es verbessert das Wir-Gefühl und die Kreativität
- Es schafft ein Gefühl der Zugehörigkeit des Einzelnen in der Gemeinschaft.
- Es führt die Gruppe zusammen
In der heutigen Berufswelt achten die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zunehmend auf ihr Wohlbefinden im beruflichen Kontext. Das Wohlbefinden im Unternehmen hängt natürlich von der Stelle, den Sozialleistungen usw. ab, aber auch sehr stark von der Arbeitsatmosphäre.
Ein Unternehmen, in dem sich alle duzen, wird deutlich mehr ein Bild von Offenheit, Zugänglichkeit und Wohlbefinden weitergeben als ein Unternehmen, in dem soziale Distanzierung durch das Siezen gefördert wird.
Sich unter Kollegen und Kolleginnen zu duzen ist relativ natürlich. Allerdings ist es schwerer zu erfassen, wie man den Manager oder die Managerin ansprechen soll. Sie sind nämlich Teil des Teams, stehen aber auf halbem Weg zwischen Mitarbeitenden und der Geschäftsführung. Wie soll man also idealerweise den Manager oder die Managerin ansprechen?

Die Frage des Duzens oder Siezens innerhalb der unternehmensHierarchie
Während das „Du“ unter Kollegen und Kolleginnen zu einem natürlichem Bestandteil des Kommunikation geworden ist, ist es gegenüber seinem Chef oder seiner Chefin weniger verbreitet. Obwohl das Duzen die hierarchische Distanz verringert und die Entwicklung einer menschlichen und nicht mehr ausschließlich beruflichen Beziehung vereinfacht, gehört es nicht zu den Vorlieben aller Führungskräfte.
Einige Entscheidungstragende befürchten nämlich, dass das Duzen, das oft mit Vertrautheit einhergeht, ihre Autorität gefährdet und sie dazu bringt, ihre Stellung als Vorgesetzte zu vergessen. Durch den Verlust an Autorität wird es schwieriger, feste Anweisungen durchzusetzen oder Themen anzusprechen, die für die Arbeitnehmenden nicht immer angenehm sind. Diese schwierigen Themen sind z.B die Verweigerung eines Urlaubs, die Verweigerung einer Gehaltserhöhung, eine schlecht ausgeführten Arbeit oder ein Vorwurf wegen Verspätung.
Im Allgemeinen funktioniert jedes Unternehmen und jede einzelne Person anders. Im Großen und Ganzen gilt jedoch: Wenn geduzt wird, wird das Duzen eher von der Hierarchie vorgeschlagen und weniger vom Arbeitnehmer. Wenn das „Du“ aber von oben verordnet und als Norm eingeführt wird, kann dies ebenfalls ein Problem darstellen. In der Tat bindet diese Art der Kommunikation die beiden Personen aneinander und kann ein falsches Gefühl der Freundschaft erzeugen. Auch hier ist alles eine Frage des Gleichgewichts, das zu halten ist, sobald das „Du“ eingeführt wird. Der Manager oder die Managerin muss das richtige Gleichgewicht zwischen Nähe und Autorität finden.
Das Duzen beim Recruiting
Vielleicht sehen Sie immer mehr Stellenanzeigen, in denen die Bewerber direkt geduzt werden. Das wirkt jung, dynamisch und vermittelt fast schon den Eindruck, zum Unternehmen zu gehören.
Auch wenn diese Vorgehensweise sich immer mehr verbreitet, sollten Sie sich vor dem falsch klingenden Duzen hüten! Wenn man bereits in der Stellenanzeige geduzt wird, ist das in Ordnung, aber es muss aus kohärenten Gründen geschehen und das „Du“ muss in die Kultur des Unternehmens integriert sein. Das Duzen ergibt nur dann Sinn, wenn es auch wirklich eine Übereinstimmung zwischen der Stellenanzeige und dem Alltag im Unternehmen gibt. Das ist wichtig, damit sich zukünftige Mitarbeitende nicht „betrogen“ fühlen, sobald sie im Unternehmen arbeiten.
Auch die Recruiting-Prozesse durchlaufen eine langfristige Entwicklung, was das Duzen und Siezen betrifft. Tatsächlich tragen berufliche Netzwerke wie LinkedIn, aber auch das Verschwinden der Grenzen zwischen privaten und beruflichen Leben zu direkteren und weit weniger formellen Beziehungen als früher bei. Diese Entwicklung erleichtert somit die Kontaktaufnahme und die Bewertung des Profils. Für die Bewerbende bedeutet diese Entwicklung auch dass sie mehr Durchsetzungskraft haben.
In diesem Zusammenhang duzen manche Personaler und Personalerinnen direkt die Bewerber und Bewerberinnen, um eine Nähe aufzubauen und ein Klima des Vertrauens zu schaffen.
Bei einem Vorstellungsgespräch kann dies dazu beitragen, das Gespräch weniger dramatisch zu gestalten und dem Bewerber oder der Bewerberin ein gutes Gefühl zu geben. Das Kraftverhältnis wird dadurch abgeschwächt. In diesem Fall kommt die Wahl des Duzens in der Regel nicht vom Bewerber oder von der Bewerberin, sondern vom Personaler oder Personalerin.
Auch hier muss der oder die Personalverantwortliche, die diese Kommunikationsform einführt, sicherstellen, dass sie mit den Gewohnheiten seines Unternehmens übereinstimmt. Das ist wichtig um zu verhindern, dass das Unternehmen während des Vorstellungsgesprächs und nach der Einstellung ein anderes Gesicht zeigt.

Der Gebrauch des Siezens und Duzens je nach beruf
Weiter oben haben wir erwähnt, dass Start-up-Unternehmen oft die Inspiration für die Entwicklung des Duzens in Unternehmen sind. In einigen Branchen ist das Duzen allerdings schon seit langem etwas ganz gewöhnliches geworden. Dies ist beispielsweise der Fall in folgenden Bereichen:
- Mode
- Kommunikation
- Medien
Man muss beachten, dass es bestimmte Berufe gibt, bei denen das Duzen zwar selbstverständlich erscheint, es jedoch nicht ist. Dies ist zum Beispiel beim Webdesign der Fall. Es gibt viele ungeschickte Versuche von Personalern und Personalerinnen, Webdesigner und Webdesignerinnen zu duzen, weil es das Klischee gibt, das passe zur Kultur des Sektors. Obwohl man meinen könnte, mit einer besonders lockeren Sprache die jüngere Generation gut anzusprechen, sind die meisten Webdesigner und Webdesignerinnen heute in Realität zwischen 30 und 40 Jahre alt. Für zahlreiche Mitarbeiter aus diesem Sektor könnte eine lässige Ansprache als erniedrigend bewertet werden.
Andererseits gibt es Bereiche, in denen das Siezen unerlässlich ist. Dies gilt insbesondere für die öffentliche Verwaltung. In diesem Umfeld ist die Grenze zur Hierarchie tatsächlich stärker ausgeprägt als im Privatsektor.
Das Siezen findet man auch stark im Gesundheitswesen, bei Banken und bei Versicherungen.

Verwendung von „Sie“ oder „Du“: Was man berücksichtigen muss
Bei der Verwendung des Duzens gibt es drei Faktoren, die eine Rolle spielen:
- Das Alter: Ältere Menschen werden von Natur aus eher geduzt.
- Geschlecht: Frauen und Männer dutzen oft untereinander aber zwischen Männern und Frauen wird öfter gesietzt
- Soziale Zugehörigkeit: Wir duzen eher eine Person, die in der gleichen Hierarchieebene oder in der gleichen sozialen Schicht steht wie wir selbst.
Männer duzen ihren Vorgesetzten oder ihre Vorgesetzte tendenziell öfter (29%) als die Frauen (21%). Interessanterweise duzen Frauen hingegen ihre Kolleginnen und Kollegen häufiger als Männer: 72 % der Frauen benutzen „Du“ als Anrede. Bei den Männern sind es 66 %. Junge Mitarbeitende benutzen in verschiedenen Kontexten viel öfter „Du“ als ältere Mitarbeitende. Ein Drittel der Jüngeren duzt die Vorgesetzten, während nur ein Sechstel der Älteren das tut.
Diese Gewohnheiten werden sich in den kommenden Jahren durch die Entstehung neuer Berufe weiterentwickeln, denn neue Berufe werden die aktuellen Beziehungen zwischen Managern und Managerinnen und Mitarbeitenden zunehmend in Frage stellen. Auch die Grenze zwischen „Chef/Chefin und Freund/Freundin“ und die Grenze zwischen persönlichem und privatem Leben wird immer unklarer. Was soll man also tun? Duzen oder Siezen? Die Antwort hängt davon ab, was die Unternehmen bevorzugen möchten : Distanz oder Nähe? Lockerheit oder Autoritarismus? Öffentlicher oder privater Sektor?
Es liegt an jedem Unternehmen, die beste Art der Kommunikation zu finden und gleichzeitig für ein gesundes Arbeitsklima zu sorgen.
Und Sie, sind Sie für oder gegen das Duzen im Unternehmen?